Miksang-Verdacht

Vor kurzem hat mich ein Beitrag in einem Fotoforum unter der Überschrift „Miksang – Kontemplative Fotografie“ neugierig auf ein Thema gemacht, das mir bis dato nicht viel sagte, um ehrlich zu sein. Wenn man versucht, sich im Netz darüber schlau zu machen, findet man etliche mehr oder weniger griffige Definitionen, Umschreibungen und Abhandlungen. Einige davon haben mich etwas schmunzeln lassen. Diejenige, die mir am meisten sagt, habe ich auf yogapraxis.info (s. der Link unten) gefunden: „(..) In der Miksang-Fotografie geht es um reine Wahrnehmung, offenes Gewahrsein, in dem sich das Auge mit dem Geist synchronisiert. Aus dieser kontemplativen Haltung entstehen Bilder, die “frisch” sind, nicht geplant oder gestellt – sondern ein Abbild der Realität des erlebten Augenblicks zeigen. (..)“ Im Archiv habe ich einiges Verdächtige gefunden, nicht nur was die Bilder selbst, sondern auch deren Entstehung betrifft, an die ich versucht habe, mich zu erinnern.

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Miksang – das gute Auge – ein Beitrag der Autorin Dr. Birgit Ebbert

Wie sagte mein Vater immer: „Wirst du alt wie eine Kuh, lernen musst du immerzu!“  Ich habe gerade ein neues Work gelernt: Miksang, in einem Beitrag im Foto-Blog Durch einen Beitrag in dem Fotoblog www.moment-aufnahmen.info. Obwohl ich in den letzten Wochen für ein anderes Projekt rauf und runter recherchiert habe über Entspannung, Meditation, Basteln und Fotografie ist mir das nicht begegnet. Dabei trifft es eigentlich genau das, was ich in Anlehnung an die zahlreichen „Zen“-Irgendwas-Angebote „Zen-Fotografie“ genannt hätte.

Allerdings wage ich kaum eine eigene Definition von „Miksang“, weil ich in einem Beitrag las, dass jeder heute meine, Miksang zu definieren oder Miksang-Fotos zu machen und das Ganze verwässert würde. Ok, das war jemand, der Kurse in „Miksang“ anbietet und vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass er oder sie nicht begeistert ist, wenn jeder wagt, das Thema aufzugreifen. Es war nicht leicht, Information über die Hintergründe zu finden – nicht mal einen brauchbaren Wikipedia-Artikel gibt es.

Soviel scheint aber klar zu sein, Miksang ist Tibetisch und bedeutet soviel wie „gutes Auge“ oder „das gute Auge“. Der Ansatz geht zurück auf Chögyam Trungpa, einen buddhistischen Lehrer, der 1959 aus Tibet geflohen ist und über Indien und England schließlich nach Amerika kam. In dieser Zeit hat er einige Photokurse besucht und sich dabei von der klassischen Objektfotografie gelöst und sich in seinen Fotos von der Umgebung und Wahrnehmung leiten lassen. Dieser Ansatz muss – so interpretiere ich die Beiträge über ihn – für seine Zeit neu gewesen sein. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen, wo es in Foto-Communitys, bei Facebook, Instagram, Pinterest und Co. unendlich viele Momentaufnahmen gibt, die sich wenig von den Trungpa-Fotos unterscheiden. Aber vielleicht kommt das auch nur mir so vor, weil ich mich in Teilen meiner Fotografie schon immer von der Umgebung und Wahrnehmung habe leiten lassen. Natürlich nicht, wenn ich Fotos für ein Buch mache, ein Konzert oder eine Theateraufführung dokumentiere. Obwohl ich auch da zwischen den Musikern, Schauspielern und Sehenswürdigkeiten viele Details aufgenommen habe, die sonst kaum einer wahrgenommen hat. Vielleicht bin ich ja auch eine Miksangierin und weiß es nicht 🙂

Vermutlich nicht, ich habe nämlich keine Fortbildung beim Institut für Contemplative Photographie besucht, bei dem man sich auch als Trainer für entsprechende Kurse fortbilden kann. Ich gucke einfach nur, streune durch die Gegend und lasse mich von Farben, Strukturen, Spiegelungen und Kleinigkeiten ansprechen – ein Miksang-Fotograf hat diesen Moment als „Wahrnehmungsblitz“ bezeichnet. Manchmal gelingt mir ein schönes Foto, manchmal aber auch nicht – das habe ich wie auch das Sich-Treiben-Lassen mit den Miksang-Fotografen gemeinsam.

Obwohl ich ein bisschen skeptisch bin, was die heutige Ausprägung angeht, finde ich es doch interessant, dass sich jemand mit Hintergrundwissen und Erfahrung in Meditation vor 45 Jahren Gedanken über die meditative Kraft der Fotografie gemacht hat. Die sich sicher nur entfalten kann, wenn man sich ohne Ziel, ohne Zeitdruck und ohne Schere im Kopf auf die Welt einlässt und einen Blick für die Kleinigkeiten entwickelt, die „Knipser“ und „Schnellfotografen“ gar nicht wahrnehmen. Das, was in den Seminaren geschieht, scheint vor allem eine Schule der Wahrnehmung zu sein, die für viele sicher wichtig ist, weil in unserer reizüberfluteten Zeit Wahrnehmung immer weniger geschult und gefordert wird.

Chögyam Trungpa hat verschiedene Stufen der Wahrnemung beschrieben:

  1. Stufe: Training der visuellen Wahrnehmung von Farbe, Licht und Form.
  2. Stufe: Entdeckung des Alltags und der Umgebung.
  3. Stufe: Wahrnehmung von Form, Farbe, Struktur im Alltag und in der Umgebung.
  4. Stufe: Herstellen einer emotionalen Beziehung zu den Gegenständen
  5. Stufe: Festlegung von Wahrnehmungsschwerpunkten.

Was in dem Beitrag nicht ganz klar wird, ob diese Stufen bei jedem Fotorundgang stattfinden oder eine theoretische Beschreibung der Entscheidung für ein Fotomotiv sind.

Für mich ist das nicht relevant, weil mein Blick für Farben, Licht und Form in Alltag und Umgebung geschärft sind und ich deshalb am liebsten immer eine Kamera bei mir hätte, um manche Momente einzufangen, von denen ich weiß, dass sie nie wieder zu fotografieren sein werden. Und schon jetzt lasse ich mich manchmal treiben, um bestimmte Dinge im Alltag zu entdecken, gerne Spiegelungen und was mir sonst noch vor die Füße fällt – manchmal im wahrsten Sinne des Wortes.

Ach übrigens: Zen-Fotografie gibt es doch und wenn ich lese, worum es dabei geht – absichtslos zu fotografieren und eins zu werden mit dem Bildmotiv, dann frage ich mich, wo der Unterschied zwischen Miksang oder Zen-Fotografie besteht. © Dr. Birgit Ebbert www.birgit-ebbert.de

Miksang-Fotografie – das gute Auge

MIksang ist Yoga mit der Kamera

Über den „Erfinder“ von Miksang

Miksang – anders fotografieren Teil 1  & Teil 2

Zen in der Fotokunst

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