Riemerschmid-Häuser in Hagen

Ein Häuschen mit Garten… Im Jahre 1907 erhielt der Münchner Architekt Richard Riemerschmid von Karl Ernst Osthaus, einem der wichtigsten Kunstmäzene und Kunstsammler seiner Zeit und Gründer des ursprünglichen Folkwang Museums, den Auftrag, ein Konzept für eine Siedlung mit 87 Arbeiterwohnhäusern nebst Straßen und Plätzen zu entwerfen. Es entstand aber nur eine Zeile von sechs Häusern an der Walddorfstraße, heute verbunden mit dem Begriff „Hagener Impuls“. Eines davon steht dank der Initiative des Hagener Osthausbundes auch innen für Besichtigungen zur Verfügung. Hier bekommt man einen kleinen Vorgeschmack auf die überaus empfehlenswerte Führung.

Informationen des Osthaus Museums

Das Riemerschmid Haus in Hagen von innen betrachtet im AutorenBlog

=>29.10.2013 Riemerschmid-Haus von innen betrachtet

Die Arbeitersiedlung auf Emst kenne ich natürlich schon, seit ich begonnen habe, mich mit dem Hagener Impuls zu beschäftigen. Ich hatte jedoch nie Zeit, an einer Führung im einzigen Haus, das innen noch originalgetreu ausgestattet ist, teilzunehmen. Bis letzte Woche. Da habe ich es endlich geschafft und bin froh, dass ich mir die Zeit genommen habe. es ist beeindruckend, wie weit Richard Riemerschmid schon vor 100 Jahren gedacht hat. Zur Erinnerung: Wir sprechen von den Jahren 1907 bis 1911, als die Reihenhaussiedlung an der Walddorfstraße geplant und gebaut wurde. Die Arbeitersiedlung genauer gesagt. Die Häuser waren gedacht für Arbeiter. Das muss man sich klar machen, wenn man das Haus besucht, weil man sich sonst fragt, was eigentlich das Besondere an der Einrichtung ist. Das Haus besitzt eine große Wohnküche mit einer hohen Decke – das ist mir deshalb besonders aufgefallen, weil ich mich gut daran erinnere, wie in meiner Kindheit die Mieterin unter uns mit dem Besen gegen die Decke stieß, wenn wir ihrer Meinung nach zu laut waren. In diesem Haus hätte sie das nicht geschafft! Von der Wohnküche aus konnte man durch eine „Nasszelle“ in einen kleinen Garten gehen. Ja! Durch eine Nasszelle, in der samstags der Badezuber aufgestellt werden konnte, und von der aus eine Tür zu einer Toilette abging. Ich habe hineingeschaut. Es war kein Plumpsklo, von dem mein Vater immer erzählt hat, sondern ein WC, wie wir es heute kennen. In der Nasszelle konnte man gut erkennen, wie nutzerorientiert Riemerschmied dachte. Es gab nämlich eine kleine Tür, quasi eine Durchreiche, zum Viehstall nebenan. So konnten die Bewohner ihre Haustiere füttern, ohne das Haus zu verlassen – und Essensreste, so es sie gab, fix verschwinden lassen. Ein Paradies für Kinder wie mich, die sehr wählerisch beim Essen waren.

Über eine Treppe, die luxuriöser war als manche Treppe, die ich als Jugendliche beim Zeitungverteilen erlebt habe, kam man in die erste Etage mit einem großen Elternschlafzimmer und einem ebenfalls ziemlich großen Kinderschlafzimmer. Da kenne ich Kinder, die heute weniger Platz haben. Ok, damals hatten Kinder keine eigenen Zimmer, alle Kinder schliefen in einem Zimmer, das eine oder andere auch bei den Eltern, wenn der freie Platz in deren Bett nicht durch einen Schlafburschen oder Kostgänger belegt war.

Ja, so eine Führung ist immer auch eine Lehrstundein Sozialgeschichte. Ich habe zwar bereits früher von Schlafburschen gehört, aber das ist sehr lange her. Deshalb hat mich Elisabeth Mey, die die Führung interessant und interessiert durchgeführt hat, gleich noch dazu ermutigt, ein wenig im Internet nach dem Leben vor 100 Jahren zu recherchieren. Doch das ist ein anderes Thema. Zurück zum Riemerschmid-Haus, das einen Dachboden hatte, um den sich viele heutige Hausbesitzer reißen würden. Auch die Decken der Schlafzimmer und der Dachboden waren übrigens so hoch, das auch die größten Basketball-Spieler da problemlos stehen könnten. Wenn ich da an die niedrigen Decken in manchen anderen alten Häusern denke!

Riemerschmid hat sich jedoch nicht auf die Zimmeraufteilung beschränkt, er hat sich Gedanken über das Mobiliar gemacht und die Wohnküche mit einem Einbauschrank versehen. Na gut, da muss ich ehrlich sein, ganz uneigennützig war seine Planung nicht. Er hatte nämlich so etwas Ähnliches wie einen Vorläufer von Ikea gegründet. Eine Fabrik, die Möbel herstellte, die in Einzelteilen transportiert und vor Ort zusammengebaut werden konnten. Leider konnten sich die wenigstens Arbeiter seine Möbel leisten, was seinem Erfolg aber wohl keinen Abbruch getan hat, wenn man sich anschaut, zu welchen Preisen seine Möbel und anderen Erfindungen verkauft werden.

Doch auch unabhängig von diesen Möbeln, die z. T. auch in dem Haus zu sehen sind, kann das Haus als Beispiel dienen, dass schon vor 100 Jahren kunden- ok, bewohnerfreundlich, gedacht wurde – auch dann, wenn die Bewohner Arbeiter sein sollten. Dass es nicht weitere dieser Häuser gibt, liegt vermutlich nicht daran, dass die Häuser den Arbeitern nicht gefielen. Vielmehr fehlte ihnen schon damals das nötige Großgeld für ein solches Haus. Dabei sollte es ursprünglich mit Inneneinrichtung für 5.000 Mark gebaut werden. Das hat sich also nicht geändert, dass ein Bauvorhaben am Ende teurer wird als geplant. © Dr. Birgit Ebbert www.birgit-ebbert.de

Kunstquartier Hagen – Führungen Riemerschmidhaus

Künstlerkolonie

Behrens in Delstern

Hohenhof

_

Hagener Impuls

Übersicht meiner Kalender